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Plan mit Potenzial (Kia Deutschland)

Print goes Programmatic: Vermarkter und Agenturen debattieren den Vorstoß der Ad Alliance

Von Roland Pimpl

Kann, muss oder sollte auch Print nun Programmatic anbieten? Spätestens seit dem jüngsten Pionierprojekt der Ad Alliance stellen sich viele Verlage diese Frage. Zur Erinnerung: Ende vergangenen Jahres hatten der Großvermarkter und mehrere Tech-Dienstleister erstmals eine Magazin-Anzeigenkampagne in automatisierte Handels- und Buchungsverfahren geschoben. Ein „Meilenstein für die Gattung Print“, jubelten die Protagonisten (HORIZONT 44-45/2022). Und nun können auch komplette Printkampagnen in Regionalzeitungen via Programmatic-Infrastruktur abgewickelt werden, von der Planung bis zur Buchung (siehe Kasten). Doch ist das der richtige Weg für die Gattung Print – oder ein Irrweg? Die übrigen Häuser sind sich da noch nicht ganz einig: Nach einer HORIZONT-Umfrage unter etlichen (Verlags-)Vermarktern lassen sich vier unterschiedlich nuancierte Haltungen zu „Print goes Programmatic“ formulieren.

  1. Große Begeisterung „Wir sind absolut offen für neue Buchungswege in Print und haben erste, sehr gute Learnings mit Pryntad gewonnen“, sagt Frank Fröhling, Vermarktungschef der Bauer Media Group. Pryntad? Das 2019 gegründete Start-up betreibt einen digitalen Marktplatz für Printanzeigen – und ist der treibende Dienstleister der bisherigen Programmatic-Projekte. Gründer sind drei frühere Bauer-Köpfe (HORIZONT 10/2020). „Nicht nur deshalb sind wir von Beginn an in sehr konkreten Gesprächen über ihren innovativen Ansatz“, so Fröhling und nennt eine gemeinsame Masterclass auf der Marketingmesse OMR im letzten Jahr. Und die Learnings? „Vor allem sehen wir, dass der Programmatic-Kanal neue Kunden- und Agenturstrukturen bedient.“ Die Gefahr, dass Bestandskunden damit bloß ihre Preise drücken wollen, sieht Fröhling demnach kaum. Zumal Programmatic die klassische Content- Logik auch nicht ersetzen, sondern ergänzen soll: „In gleichem Maße setzen wir auf die Kraft des Storytellings“ in Print, Digital und Social mit einem verbindenden „narrativen Campaigning“.
  2. Positives Interesse Die Spiegel-Gruppe, die sich von der Ad Alliance vermarkten lässt, steht dieser Entwicklung „grundsätzlich positiv gegenüber“, sagt Vermarktungschef Hannes Engler. Man werde sich jetzt „genau anschauen, welche Ergebnisse sich mit Programmatic erzielen lassen und dann über konkrete Schritte beraten“. Ähnliches lässt Burda durchblicken. Das Regionalzeitungs-Werbebündnis Score Media Group scheint schon etwas weiter zu sein: „Den Ansatz, mit Print über diesen technologischen Weg dann auch programmatisch arbeitende Mediaplaner zu erreichen, verfolgen wir mit positivem Interesse“, sagt Score-Chef Carsten Dorn. Viele der Partnerverlage nutzten schon den Pryntad-Marktplatz – und „wir überlegen, in diesem Jahr mit einzelnen ergänzenden Produkten programmatisch in den Markt zu gehen“. Sogar der Jahreszeiten Verlag, der sich als „Medienmanufaktur im Premiumsegment“ versteht und sein Inventar eher individuell im direkten Kontakt mit den Werbekunden anstatt über Agenturdeals vermarktet, führt Gespräche mit Pryntad. Wichtig seien die Bedingungen und eine faire Beurteilung der Medialeistung, sagt Vermarktungschef Arne Bergmann. Das Inventar dürfe nicht „zu Sonderpreisen unter den Hammer kommen“. Charmant sei an dem Programmatic-Ansatz, dass die Komplexität des Print-Buchungsprozesses reduziert werde. Und auch Agenturen halten den Daumen hoch. „Eine Öffnung des Marktes für Programmatic Print ist nicht nur zeitgemäß, sondern auch erforderlich“, sagt Anja Stockhausen, Geschäftsführerin bei Publicis Media. Werbekunden könnten sich so eine wichtige Buchungsform erschließen – „besonders dann, wenn Print vielleicht nicht das Basismedium ist, sondern eine sinnvolle Ergänzung, um neue Kontakte bei Print-Intensivnutzern zu erschließen“. Voraussetzung sei, dass Targeting möglich und die Tausenderpreise vergleichbar sind. Dann könne sich sogar die Nettoreichweite des Mediaplans verbessern. „Bei General Interest sehe ich großes Potenzial für eine Effizienzsteigerung mit Programmatic, insbesondere bei Standardformat-Advertorials mit Service-Inhalten“, so Stockhausen. Die klassische Printplanung nach Titelgenres, Umfeldern und Platzierung sowie die individuelle, kreative Umsetzung verlieren nicht ihre Relevanz, sagt sie mit Blick vor allem auf Branchen wie Automobil und Beauty. Wichtig seien „Erkenntnisse aus dem kombinierten Einsatz von Klassisch- und Programmatic-Print“, erklärt die Publicis-Media-Chefin: „Welche Reichweitensteigerungen sind gegenüber einer rein klassischen Planung möglich? Zu welchen Kosten? Mit welcher Wirkung?“ Wenn das geklärt ist, werde in den kommenden Jahren „ein begründeter Budgetanteil in die programmatische Buchung fließen können“.
  3. Skeptisches Interesse Wir schauen uns das an, wir prüfen dasaber erst mal ohne Priorität und eigene Absichten. So lassen sich die Einstellungen von Axel Springer, Zeit Verlag und dem FAZ/SZ-Vermarkter Republic zusammenfassen. Als Anbieter für Premium-Zielgruppen und werbekundenspezifische Lösungen „sehen wir die Entwicklung der programmatischen Printplanung aus unserem Selbstverständnis heraus eher zurückhaltend“, ergänzt Republic-Geschäftsführer Ingo Müller. Denn die eigenen individuellen Offerten seien „programmatisch aktuell nicht abbildbar“. Eine Absage im Moment – aber nicht unbedingt auch für die Ewigkeit. Ähnlich die Funke Mediengruppe. Der Essener Magazin- und Regionalzeitungsverlag steht schon länger im Austausch mit Pryntad – hat sich aber „vorerst“ dazu entschlossen, seine Zeitschrif ten nicht darüber buchbar zu machen. Das sei aber keine generelle Absage ans Thema, betont Funke-Vermarktungschef Stephan Madel. Zumal er einige Pluspunkte nennt: Programmatic bringe frischen Wind und „positive Marketingaspekte“ ins Printgeschäft; Teilnehmer würden gerade in der Startphase als innovativ wahrgenommen. Zudem können auch Titel mitbieten, die nicht in den großen Planungssystemen auftauchen – so könnten auch kleinere Titel Chancen erhalten, etwa für Restplatzvermarktung. Aber warum dann vorerst die Absage? „Wir wollen für unsere Kunden Umfelder schaffen und Anzeigen dort platzieren, wo sie thematisch hingehören und von unseren Lesern nicht als störend empfunden werden“, sagt Madel. „Das funktioniert aus unserer Sicht nur dann zur Zufriedenheit beider Seiten, wenn man miteinander spricht.“ Hinzu kommt: Wenn man die Vermarktung durch Automatisierung anstoße, „dann schwächt man aus unserer Sicht die Marken und das, wofür die Gattung steht“, nämlich die große Strahlkraft und den hochwertigen Content für sehr unterschiedliche Zielgruppen. Außerdem nennt Madel mögliche Bugs in der Startphase des Modells und bisher „viel Koordinationsauf wand in der Vorbereitung“ der Projekte. „Vieles befindet sich hier noch in der Start- und Testphase“, beobachtet auch Mindshare-Deutschlandchefin Katja Anette Brandt. Und nicht nur deshalb könne Programmatic die herkömmliche Print-Planung bislang nicht ersetzen. „Der Vorteil des Mediums liegt ja gerade darin, dass wir Zielgruppen sehr präzise über eine detaillierte Titelplanung erreichen können.“ Programmatisch sei das aktuell so nicht möglich. „Dennoch lohnt es sich, diesen Ansatz weiter zu verfolgen und daraus zu lernen“, so Brandt. Dafür spreche das Potenzial, Kunden für Print zu gewinnen, die dort bislang kaum oder gar nicht investiert haben.
  4. Nein danke! Der Wort & Bild Verlag mit seinem Auf lagen-Millionär Apotheken Umschau scheint das anders (und Programmatic bloß als Resterampe) zu sehen und plant nichts dergleichen. „Wir sind nahezu ausgebucht, wir benötigen Programmatic nicht“, sagt Vermarktungschef Marco Bergmann kurz und knapp.
„Eine Öffnung für Programmatic Print ist zeitgemäß und erforderlich“ Anja Stockhausen, Publicis Automatisierte Vermarktung kann unsere Gattung auch schwächen“ Stephan Madel, Funke  

Regio-Targeting

Nach dem Pilotprojekt mit dem Fotobuch-Anbieter Cewe in Magazinen sind nun auch Printkampagnen in Lokalzeitungen via Programmatic- Infrastruktur umsetzbar. Pionierkunde ist der Autohersteller Kia Deutschland für eine Händlerkampagne mit seiner Agentur Breitengrat. Die übrigen Dienstleister des Garantiedeals mit Regio-Targeting sind wie im Cewe-Projekt: die Pro-Sieben- Sat-1-Tochter Virtual Minds als DSP sowie als SSP technologisch die One Tech Group und inventarbezogen Pryntad.